JEGENSTORF: Beat Bergmann hat ein besonderes Hobby: Er rettet per Wärmebilddrohne Rehkitze vor dem Tod. zvg
Eigentlich wären die offenen Wiesenflächen der natürliche Lebensraum für die Rehe. Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie aber durch die vom Menschen intensiv genutzten freien Flächen in den Wald gedrängt. Aber immer noch ziehen die Rehe ihre Jungen gerne in den Wiesen auf. Die Rehkitze pressen sich in den ersten zwei bis drei Wochen nach ihrer Geburt instinktiv flach auf den Boden und liegen dort meist reglos perfekt getarnt, um von ihren natürlichen Feinden nicht entdeckt zu werden. Die Geissen besuchen dann in regelmässigen Abständen den Setzplatz, um das Kitz zu säugen. Für die Landwirte war es oft unmöglich oder zeitintensiv, die Tiere ausfindig zu machen, um sie vor Verletzungen und dem Tod beim Mähen zu schützen. Mit modernster Technik kann seit einiger Zeit diese Problematik fast hundert Prozent gelöst werden. Die Landwirtinnen und Landwirte können sich nun vor dem Mähen ihrer Felder beim zuständigen Hege-Rayonchef der Jäger melden oder die ortsansässigen Jäger nehmen ihrerseits Kontakt auf. Der Schreiber konnte mit dem Jäger Beat Bergmann, ausgebildeter Drohnenpilot und Mitglied des Vereins Rehkitzrettung Schweiz, eine Rehkitzrettungsaktion vor Ort mitverfolgen. Die Aktion beginnt idealerweise frühmorgens um fünf Uhr, wenn der Boden und das Gewächs noch kühl sind. Bergmann macht seine speziell angefertigte Drohne flugbereit. Diese ist mit einer Wärmebildkamera ausgerüstet, welche den noch kühlen Boden und das Gewächs nach einem aussergewöhnlichen Temperaturunterschied abtastet. Mehrere Akkus sind voll aufgeladen einsatzbereit, das Stativ mit einem Monitor ist aufgestellt und ein zweiter Monitor und das Steuermodul hat Bergmann umgehängt. Das vom Bauernbetrieb ausgewählte Landstück wird mithilfe von Satellitenbildern und einem speziellen Programm ausgemessen und die Flugbahn exakt definiert. In einer Höhe von fünfzig Metern soll die Drohne das Gelände mit der Kamera lückenlos abtasten. Das Gerät hebt mit einem hohen sirrenden Ton ab, gewinnt rasch an Höhe und beginnt nun automatisch das Feld zu überfliegen. Bergmann und sein Jägerkollege und Rayonchef Massimo Allia schauen gebannt auf ihre Monitore. Gleichmässig zieht die Bodenaufnahme farbverfälscht orangefarbig über die Bildschirme. Da tauchen plötzlich zwei auffällig helle Punkte auf der Fläche auf. Bergmann kann die Position der Farbflecke auf dem Bildschirm fixieren, um nach dem Abfliegen des Feldes mit der Drohne über diesen Standort zurückzufliegen. Massimo Allia begibt sich nun vorsichtig auf die Position der Flecke zu, immer in Funkverbindung mit dem Drohnenpiloten. Plötzlich springen zwei Jungrehe auf und fliehen ins nahe Rapsfeld. Es sind definitiv keine Kitze und verlassen bei Gefahr ihre Verstecke. Später auf einem anderen Feld, welches ebenfalls gemäht werden soll, werden die Rehkitzretter fündig. Das Rehkitz wird mit einer Harasse überdeckt, die Box anschliessend mit Steinen beschwert, damit die Geiss ihr Junges nicht befreien kann. Die mitgebrachte Stange mit roter Flagge zeigt nun deutlich die Position des Tieres an. Die Landwirtin oder der Landwirt kann nun entscheiden, ob sie oder er grosszügig um das Kitz mähen will, oder ob man das Jungtier sorgfältig ohne direkte Berührung mit den Händen an einen sicheren Ort ablegen soll. Die Geiss wird die Rufe ihres Jungen erkennen und dieses finden. Nun sollte aber schnell mit dem Mähen begonnen werden, ansonsten die Rettungsaktion wiederholt werden muss. Beat Bergmann packt seine Ausrüstung ins Auto und freut sich über die gelungene Aktion. Er und viele weitere Jäger und Helfer des Vereins Rehkitzrettung Schweiz bewahren in ihrer Freizeit viele Rehkitze vor dem Tod mit ihrem für die Bauernbetriebe kostenlosen Einsatz.
Henry Oehrli